Christian Blau
omertà
(2001)
exhibited at:
Kunstraum Linienstrasse, Berlin 2002 (solo)
Flcone
FALCONE
120 x 160 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
Borselino
BORSELLINO
120 x 160 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
Mattarella
MATTARELLA
78 x 140 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
Inzerillo
INZERILLO
78 x 140 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
Dalla Chiesa
DALLA CHIESA
78 x 140 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
DI Christina
DI CHRISTINA
78 x 140 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
BASILE
BASILE
102 x 92 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
BONTATE
BONTATE
100 x 90 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
CHINICCI
CHINICCI
100 x 90 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
COSTA
COSTA
100 x 90 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
LA TORRE
LA TORRE
100 x 90 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
LIMA
LIMA
100 x 90 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
TERRANOVA
TERRANOVA
100 x 90 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
Omertà multiple
OMERTÀ
Multiple (here 3 from 12)
39 x 30 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001
UOMINI D´ONORE multiple
UOMINI D´ONORE
Multiple (here 2 from 21)
25 x 46 x 6 cm
mixed media on hessian
christianblau 2001

Christian Blau 'omertà'
"omertà" is the sealed lips rule of the mafia
if you don´t follow - you´ll die



Aus der Geschichte der Mafia
3. Unternehmer, Politiker und andere ehrenwerte Leute – Die Mafia heute

Autor: Matthias Fink
Redaktion: Renate v. Walter

2. Zitator: Ich warne Sie, Herr Richter. Nach diesem Verhör werden Sie eine Berühmtheit sein.
Aber vergessen Sie nicht: Die Rechnung, die Ihnen die Cosa Nostra präsentiert,
wird nie beglichen sein, es sei denn durch Ihren Tod.
Erzähler:Tommaso Buscetta, geständiger Mafiaboss, zum Untersuchungsrichter Giovanni Falcone.
Erzählerin:Rom, 23. Mai 1992, 16 Uhr 40:
Die Wagenkolonne passiert die Einfahrt zum Militärflughafen Ciampino. Auf der Startbahn wartet
ein Flugzeug auf den Richter Giovanni Falcone und seine Ehefrau. Ihr Ziel: Palermo.

Flughafen Punta Raisi, 17 Uhr 45:
Das Flugzeug mit Richter Falcone und seiner Ehefrau ist gelandet. Die beiden besteigen unter
Polizeiaufsicht ein Auto. Eine Eskorte formiert sich. Der Konvoi startet in Richtung Autobahn nach Palermo.

Autostrada A29, nahe der Ausfahrt Capaci, 17 Uhr 58:
Unter der Autobahndecke detoniert eine Bombe, die einen dreißig Meter großen Krater in die Fahrbahn reißt.
Die Höllenmaschine zerfetzt das erste Fahrzeug der Kolonne, in dem drei Polizisten sitzen.
Das zweite Fahrzeug wird gegen eine Geröllwand geschleudert, die die Explosion aufgeworfen hat.
In ihm sterben der Richter Giovanni Falcone und seine Frau Francesca.

Erzähler:Die Warnung des Mafiabosses Tommaso Buscetta war grausige Wirklichkeit geworden.
Acht Monate nach der Ermordung des Richters Falcone, seiner Frau und der drei Polizisten wird in
Palermo Salvatore Riina festgenommen – Toto u curtu – Toto der Kurze, wie er genannt wird,
der meistgesuchte Verbrecher Italiens, capo di capi der Mafia, der Boss der Bosse und Drahtzieher
des Attentats auf den Richter, verantwortlich für Hunderte von Morden.

1. Zitator: Riina hat sich mit einer Person getroffen, die Sie sich nicht einmal vorstellen können?
Erzähler:? zitieren die Zeitungen einen hoch gestellten, namentlich nicht genannten Polizeibeamten.
Doch alle Andeutungen und Vermutungen weisen in Richtung eines Mannes, der in seiner Person die
Nachkriegsgeschichte Italiens verkörpert: Giulio Andreotti, führender Politiker der Christdemokraten,
sieben Mal Ministerpräsident, 21-mal Minister. Aber damit wären wir schon beinahe am Ende unserer Geschichte.
Gehen wir deshalb erst einmal gut zehn, fünfzehn Jahre zurück in das Italien Ende der siebziger Jahre.

Erzählerin:1978. Am 30. Mai wird in Palermo Giuseppe DiCristina erschossen, der Mafiaboss von Riesi,
einer kleinen Stadt in der Provinz Caltanisetta. Wenige Tage vor seiner Ermordung hatte er sich in
einem Bauernhaus mit Polizeiermittlern getroffen und von den Kämpfen zwischen den Mafiafamilien von
Palermo und Corleone berichtet.

2. Zitator: Salvatore Riina und Bernardo Provenzano, die man wegen ihrer Blutrünstigkeit auch
"die Ungeheuer" nennt, sind die gefährlichsten Männer, die Luciano Liggio an seiner Seite hat.
Jeder von ihnen hat persönlich mindestens vierzig Morde auf dem Gewissen.

Erzählerin:Das Dreigestirn der Mafia von Corleone, einer 15 000-Einwohner-Stadt in den Bergen südlich von Palermo.
Luciano Liggio ist der Boss, sitzt aber seit 1974 im Gefängnis. Salvatore Riina und Bernardo Provenzano,
beide seit 1969 untergetaucht, sind seine Statthalter. Und diese beiden, so hatte DiCristina den Polizisten
berichtet, hätten beschlossen, die Mafia von Palermo auszuschalten und durch gezielte Morde die staatlichen
Behörden einzuschüchtern.

Erzähler:Cadaveri eccellenti, sagt man in Italien, außergewöhnliche Leichen. Die Prophezeiungen des Mafiabosses
Giuseppe DiCristina sollten sich bewahrheiten. Die Liste der ermordeten Repräsentanten der staatlichen Ordnung
wird von Jahr zu Jahr länger. 1979:

1. Zitator: Boris Giuliano, stellvertretender Polizeichef von Palermo; Cesare Terranova, Untersuchungsrichter;

Erzähler:1980:
1. Zitator: Piersanti Mattarella, Präsident der Region Sizilien; Gaetano Costa, Leiter der Staatsanwaltschaft
in Palermo; Emanuele Basile, Hauptmann der Carabinieri;

Erzähler:1981:
1. Zitator: Rocco Chinicci, Leiter der Staatsanwaltschaft in Palermo;

Erzähler:1982:
1. Zitator: Pio LaTorre, Abgeordneter und Mitglied der Anti-Mafiakommission; Alberto Dalla Chiesa,
General der Carabinieri;

Erzähler:Das Volk ist empört und wütend auf die zögerlichen Politiker.
Bei der Trauerfeier für den Carabinierigeneral Dalla Chiesa werden die Spitzen des Staates als Mörder beschimpft
und mit Lire-Münzen beworfen, als Protest gegen die Korruption in der Politik.

Erzählerin:Es sterben aber auch Vertreter der anderen Seite:

2. Zitator: Stefano Bontate, Mafiaboss aus Palermo;
Salvatore Inzerillo, ebenfalls Mafiaboss aus Palermo.

Erzählerin:Das Gemetzel, das die Corleonesi, die Mafia aus Corleone, gegen die anderen Familien eröffnet hat,
wird über dreihundert Menschen das Leben kosten.

Erzähler:Zu dieser Zeit ermittelt in Palermo der Untersuchungsrichter Giovanni Falcone.
Er nutzt die Erfahrungen aus seiner früheren Tätigkeit als Konkursrichter und verfolgt akribisch Bankverbindungen
und Geldtransaktionen und deckt damit gewisse Zusammenhänge zwischen den einzelnen Mafiafamilien auf,
die bis dahin nicht bekannt waren. Doch vermutlich wären die Ermittler von Palermo nie so weit gekommen,
wenn ihnen nicht Kommissar Zufall geholfen hätte.

Erzählerin:Oktober 1983. In Brasilien verhaftet die Polizei Tommaso Buscetta, Mafiaboss aus Palermo,
der in Italien und den USA wegen Rauschgiftschmuggels und anderer Delikte gesucht wird.
Ein paar Monate später steht er vor dem Untersuchungsrichter Falcone. Er sagt nicht alles,
was er vom Innenleben der Mafia weiß, aber es wird reichen, ihr einen empfindlichen Schlag zu versetzen.

2. Zitator: Ich möchte deutlich machen, dass ich kein Vogel bin, der singt. Ich bin kein "Reuiger",
weil hinter meiner Aussagebereitschaft nicht die niedrigen Motive persönlicher Interessen stehen.
Ich habe mein Leben als Mafioso gelebt und Fehler gemacht, deren Folgen ich zu tragen bereit bin,
ohne um Strafmilderung oder Sonderbehandlung zu bitten. Im Interesse der Gesellschaft, meiner Kinder
und anderer junger Menschen habe ich mich entschlossen, alles zu enthüllen, was ich über das Krebsgeschwür
Mafia weiß, damit künftige Generationen ein menschlicheres und würdigeres Leben führen können.

Erzähler:Die Aussage Tommaso Buscettas ist eine Ungeheuerlichkeit, denn er bricht damit das oberste Gebot der Mafia,
die omertà, das Gesetz des Schweigens. Jeder, der in die Mafia aufgenommen wird, muss schwören, sich daran zu halten.
Wenn nicht, ist ihm der Tod sicher.

Erzählerin:Zehn Jahre zuvor war im Polizeipräsidium von Palermo schon einmal ein Mann erschienen,
ein gewisser Leonardo Vitale, und hatte sich bereit erklärt, die omertà zu brechen und über die Mafia auszusagen.
Der Kommissar, der ihn verhört, hält ihn allerdings für geistig verwirrt und sorgt dafür,
dass er in eine Anstalt für psychisch gestörte Kriminelle eingewiesen wird. Als er 1984, nach elf Jahren,
die Anstalt verlässt, wird er kurz danach auf offener Straße erschossen. Der Kommissar, der ihn 1973 verhört
und seine Einweisung in die Anstalt veranlasst hatte, ist ein gewisser Bruno Contrada. Knapp zwanzig Jahre später,
nach der Ermordung der Richter Falcone und Borsellino, wird er festgenommen.
Er war der Maulwurf der Mafia im Pool der Mafiabekämpfer von Palermo gewesen.

Erzähler:Zurück zum Kronzeugen Tommaso Buscetta. Er liefert den Untersuchungsrichtern die notwendigen
Erklärungen zu den Dokumenten, die sie gefunden haben. Und er berichtet über Interna: dass die Mafia eigentlich
Cosa Nostra heißt; dass ihre Mitglieder "Mafioso" für einen Schimpfnamen halten, sich selbst als uomini d'onore,
als Ehrenmänner, anreden; dass die onorata società, die Ehrenwerte Gesellschaft, von einem für alle absolut
verbindlichen Ehrenkodex geprägt ist.

2. Zitator: Niemand wird je irgendwelche niedergelegten Mafiagesetzbücher finden, aber dennoch sind die Gesetze
hart wie Eisen und werden von allen akzeptiert. Ebenso wenig wird man jemals Mitgliederlisten finden,
und doch ist die Bindung zwischen den Ehrenmännern stärker und unauflöslicher, als wenn es in irgendeinem
Dokument niedergelegt wäre.

Erzähler:Für die Ermittler sind die Angaben Buscettas von unschätzbarem Wert. Er selbst muss dafür einen grausamen
Preis bezahlen: Fast seine gesamte Familie wird von der Mafia ausgerottet – Söhne, Töchter, Schwiegersöhne, Brüder,
Schwäger? mehr als fünfzig Personen. Trotzdem sind nach und nach auch weitere Kronzeugen, pentiti, zu Aussagen bereit,
keiner mehr von so hohem Rang, aber genug, um beinahe fünfhundert Menschen vor Gericht zu bringen.

Erzählerin:Im Februar 1986 beginnt in Palermo der Prozess gegen die 471 Männer und Frauen.
Die Anklageschrift umfasst 8 460 Seiten, ihr beigelegt sind 660 000 Blatt Ermittlungsakten.
Die pentiti treten auf. Es kommt zu dramatischen Szenen. Am letzten der 346 Verhandlungstage,
gerade als das Schwurgericht sich zur Beratung zurückziehen will, bittet Michele Greco noch einmal ums Wort.
Er ist nach den Angaben der pentiti "der Papst", der Chef des obersten Organs der Mafia, also capo di capi,
allerdings nur im Auftrag und mit Billigung von Salvatore Riina und Bernardo Provenzano, der wahren Herren,
die immer noch auf freiem Fuß sind.

2. Zitator: Herr Vorsitzender! Ruhe ist die Grundlage für die Aufgabe, die Ihnen bevorsteht.
Es sind nicht meine Worte, es sind die Worte unseres Herrn, als er zu Moses sprach: "Wenn du zu urteilen hast,
muss große Ruhe herrschen." Das ist die Grundlage. Ich wünsche Ihnen, Herr Vorsitzender,
dieser Frieden sei mit Ihnen ein Leben lang.

1. Zitator: Alles enthält eine Botschaft, alles ist voller Bedeutung in der Welt der Cosa Nostra.
Kein Detail ist zu winzig, um der Beachtung zu entgehen.

Erzähler:? steht in den autobiografischen Notizen des Untersuchungsrichters Giovanni Falcone.
Was also ist die Botschaft des Michele Greco? Eine Drohung an die Richter und Geschworenen?
Die Aufforderung an Salvatore Riina und Bernardo Provenzano, draußen für den Frieden eines Friedhofes zu sorgen?
Ein Hinweis an die verbündeten Politiker in Rom, etwas für die Aufhebung der Urteile zu tun?

Erzählerin:14-mal lebenslänglich verhängt das Schwurgericht, dazu 327 Freiheitsstrafen mit insgesamt
2 665 Jahren Gefängnis, 114 Freisprüche. In Rom muss Richter Corrado Carnevale seinen Vorsitz in der
obersten Berufungskammer aufgeben. Sein Spitzname: ammazzasentenze, Urteilskiller.
In den Jahren zuvor hatte er hunderte von Urteilen gegen Mafiosi kassiert.

Erzähler:Über sechzig Jahre lang hatte ein geheimes Protektionssystem Mafiosi in Untersuchungshaft
Straffreiheit garantiert. Beweismaterial verschwand, Prozesse wurden manipuliert, Gerichtsurteile aufgehoben.
Dieses Mal ist es anders. Fast alle Urteilssprüche werden rechtskräftig.

Erzählerin:Am 24. März 1992 stirbt in einem Kugelhagel in Palermo der christdemokratische Politiker Salvo Lima.
Er war in den fünfziger und sechziger Jahren erst Baureferent, dann Bürgermeister von Palermo gewesen.
In diese Zeit fällt der so genannte Sacco die Palermo, die Plünderung Palermos.
Die Altstadt verfiel trotz milliardenschwerer staatlicher Sanierungsprogramme, während gleichzeitig an den
Stadträndern riesige Wohnsiedlungen aus dem Boden gestampft wurden, ein Geschäft,
bei dem die Mafia Milliarden mitkassiert haben soll. 1968 war Salvatore Lima als Abgeordneter nach Rom gegangen.
Er galt fortan als der Verbindungsmann des einflussreichen Giulio Andreotti nach Sizilien.

2. Zitator: Senator Andreotti ist genau die Person, an die sich der Abgeordnete Lima ständig gewandt hat,
um in Rom Entscheidungen herbeizuführen, welche die Interessen der Cosa Nostra betrafen. Lima wurde getötet,
weil er ein Symbol jenes politischen Bestandteils der Mafia war, der – nachdem er sich der Cosa Nostra bedient hatte –
seine Verpflichtungen verriet. Für Andreotti sollte es eine Warnung für sein künftiges Verhalten sein.

Erzählerin:? sagt der pentito Gaspare Mutolo vor den Untersuchungsrichtern aus.
Zwei Monate nach der Ermordung Limas stirbt der Untersuchungsrichter Falcone auf der Autobahn.
Wieder zwei Monate später stirbt durch eine Autobombe auch sein engster Vertrauter, der Richter Paolo Borsellino.

2. Zitator: Die Mafia pfeift aus dem letzten Loch.

Erzähler:...erklärte dazu der mittlerweile verstorbene Tommaso Buscetta per Fernsehinterview aus den USA,
wo er in einem Zeugenschutzprogramm verborgen lebte.

2. Zitator: Solche großen öffentlichen Mordanschläge sind bei der Mafia nicht üblich.
Sie mordet gewöhnlich im Stillen. Ich glaube, sie kämpft ums Überleben.

Erzähler:Wirklich? Vielleicht ist die Sache ja nur so eingefädelt worden, dass alle an das Ende der Mafia glauben,
während sie sich im Stillen neu formiert. Vielleicht hat die Cosa Nostra nur ein paar ihrer Ehrenmänner losgeschickt,
sie geschickt als Kronzeugen zu platzieren. Irgendwann fällt auch den Ermittlern auf, dass die pentiti viel über
Personen und ihren Hintergrund erzählen, aber nichts über Kontonummern und Geldströme.

Erzählerin:Oktober 1999 – Giulio Andreotti verlässt in Palermo den Gerichtssaal als freier Mann.
Wieder einmal hat "der alte Fuchs", wie er genannt wird, einen Skandal ohne größeren Schaden überstanden.
"Ein Freispruch erster Klasse" schreiben die Zeitungen, dabei waren die Staatsanwälte ganz sicher gewesen,
genügend Belastungsmaterial gegen ihn zusammengetragen zu haben, um ihm die Verbindung zu einer kriminellen
ereinigung nachweisen zu können.

2. Zitator: Andreotti hat Riina und Lima am Nachmittag des 20. September 1987 in der Dachwohnung von
Ignazio Salvo in Palermo getroffen. Wir haben uns vorgestellt und als Riina eintrat,
hat er Andreotti auf die Wange geküsst.

Erzählerin:? sagt der Kronzeuge Baldassare DiMaggio, der frühere Adjutant von Salvatore Riina.
Der Kuss wäre der Beweis gewesen, dass Andreotti tatsächlich zur Mafia gehört. Aber die Richter glauben
diesem und anderen Zeugen nicht. "Der alte Fuchs" wird freigesprochen.

Erzähler:Weil es seit den letzten spektakulären Festnahmen zu Anfang der neunziger Jahre keine pentiti,
also geständige Mafiosi, mehr gibt, gehen inzwischen auch die Ermittler davon aus, dass die Mafia sich wieder
einmal gehäutet hat. Sie habe die Zerstörung ihrer alten Strukturen locker hingenommen, weil sie längst dabei
gewesen sei, neue aufzubauen, wird vermutet.

1. Zitator: Cosa Nostra und Konsorten sind nur Teil eines mafiosen Komplexes, der über eigene Bankschalter,
eigene Streitkräfte und Nachrichtendienste, eigene Finanzkreisläufe, Politiker, Minister, Beamte gebietet.
Ein veritabler Parallelstaat.

Erzähler:? schreibt die Anti-Mafiakommission des Parlaments. Ein Parallelstaat,
der mit seinen Finanzreserven und seinen internationalen Verbindungen für das Zeitalter der Globalisierung
bestens gerüstet ist. Geschätzter Jahresumsatz: 310 Milliarden Mark.

1. Zitator: Die Cosa Nostra ist reicher, internationaler, technisch besser als je zuvor.
Erzähler:? behauptet Pier Luigi Vigna, der Chefankläger in Palermo. Drogenhandel, Waffenschiebereien,
Schutzgelderpressung sind nur noch Nebenschauplätze. Das wahre Geschäft läuft an den Aktien- und
Finanzmärkten und überall dort, wo staatliche Subventionen winken. Die Mafia ist längst in der legalen
Geschäftswelt etabliert, bestens vertreten durch Anwälte und Agenten. Und es kommen neue Namen ins Gespräch.

Erzählerin:Silvio Berlusconi, Medienunternehmer, Multimilliardär, Präsident des Fußballklubs AC Mailand,
Vorsitzender der konservativen Sammlungsbewegung Forza Italia, 1994 für neun Monate Ministerpräsident.
Silvio Berlusconi hat angefangen als Bauunternehmer in Mailand: erst ein Haus, dann ein Stadtviertel,
am Ende sogar eine ganze Trabantenstadt. Das Geld dafür kam aus der Schweiz. Von wem, ist bis heute ungeklärt.
Dann steigt Silvio Berlusconi ins Mediengeschäft um, kauft Fernsehstationen und Filmpakete. Zeugen behaupten
mit Geldern von Stefano Bontate, einem Mafiaboss aus Palermo, der im Mafiakrieg zu Anfang der achtziger
Jahre erschossen wurde. In Palermo läuft ein Prozess gegen Marcello Dell'Utri, Leitender Manager in Berlusconis
Unternehmensgruppe Finninvest. Die Anklage: Zugehörigkeit zu einer mafiosen Organisation und Geldwäsche.
Er soll das Scharnier zwischen Cosa Nostra und der Hochfinanz in Mailand sein.
Gegen Silvio Berlusconi laufen fünf Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft Caltanisetta vermutet
Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung und Mittäterschaft bei der Ermordung des Untersuchungsrichters
Paolo Borsellino.

Erzähler:Der sizilianische Schriftsteller Leonardo Sciascia schreibt: "Wenn man heute die Mafia bekämpft,
bedeutet das nur, dass es dahinter bereits eine neue, mächtigere Mafia gibt.

© Bayerischer Rundfunk, 2000